Nase voll von Shakespeare? Fünf großartige moderne Stückeschreiber für die englische Sprache


Schenkt man den Zeitungen und den großen West-End-Theatern Glauben, so heißt der beste Stückeschreiber des 21. Jahrhunderts Shakespeare. „The Bard“, wie er auch genannt wird, feiert 2016 seinen 400. Todestag, doch die Produktionen seiner Stücke sind so lebendig und zahlreich wie eh und je.

Was aber, wenn man Shakespeare-müde ist? Oder einfach mal etwas sehen möchte, das nach dem 19. Jahrhundert geschrieben wurde? Tatsache ist, dass die englische Sprache einige hervorragende Stückeschreiber vorzuweisen hat, von denen viele legendär sind und es verdienen, gefeiert zu werden. Wir stellen Ihnen hier für den Anfang ein paar davon vor.

Caryl Churchill

Caryl Churchill, die auch heute, im Alter von 75 Jahren, noch ausgezeichnete Stücke schreibt und produziert, ist unter den lebenden Dramatikerinnen und Dramatikern Großbritanniens vielleicht die beste. Sie wurde 1938 geboren und wuchs im Lake District auf, bevor ihre Familie nach Montreal auswanderte, wo ihre Texte stark von Bertolt Brecht und der politischen Verantwortung des Theaters beeinflusst waren.

Ihre größte Stärke ist wohl, dass sie Themen wie Geschlechterpolitik, Feminismus, Utopismus und andere äußerst moderne Angelegenheiten mit einer Poesie und Leichtigkeit behandelt, die nur wenige ihrer Zeitgenossen beherrschen. Ihr Interesse an Tanztheater und Postmodernismus lässt oft eine gewisse Fragmentierung in ihrem Werk vorherrschen – die Worte sind ebenso durch eine Art Choreographie oder Intuition wie auch durch einen zeitlichen Ablauf miteinander verbunden, kombiniert mit einer wunderschönen Sprache.

Beachtenswerte Stücke:

Top Girls (1982), Serious Money (1987), Love and Information – Liebe und Information (2012)

Sarah Kane

Sarah Kane war eine einzigartige und herausfordernde Stimme in der Welt des Theaters. Ihr Werk besteht aus nur fünf Stücken – Blasted (Zerbombt), Phaedra’s Love (Phaidras Liebe), Crave (Gier), Cleansed (Gesäubert) und 4.48 Psychosis (4.48 Psychose) –, da sie sich 1999 im Alter von 28 Jahren das Leben nahm.

Sie wuchs bei ihren Eltern, evangelikalen Christen, in Essex auf, und obwohl sie sich später von religiösen Treuepflichten freimachte, geht es in ihren Stücken um Sünde, Erlösung, Gewalt, Liebe und Glauben. Ihre Stücke sind bekannt dafür, dass sie an den Grenzen des Theaters rütteln – eines endet mit vom Bühnenboden emporsprießenden Blumen –, und ihre Sprache nimmt neben Darstellungen psychologischer und sexueller Gewalt definitiv den zentralen Raum in ihren Stücken ein. Die Menschlichkeit und der tief empfundene Schmerz in ihrem Werk zeichnen sie als eine der außerordentlichsten und meistbewunderten Dramatikerinnen des späten 20. Jahrhunderts aus.

Beachtenswerte Stücke:

Blasted – Zerbombt (1995), Cleansed – Gesäubert (1998), 4.48 Psychosis (4.48 Psychose) (2000)

David Mamet

Die Charaktere von David Mamet sind oft grausam, voller Fehler und sprechen rasend schnell, doch seine atemberaubend pointierten Dialoge und sein unglaublicher Sprachrhythmus sind schlichtweg brillant.

Mamet ist ein äußert produktiver amerikanischer Künstler: Er schreibt nicht nur Stücke, sondern auch Drehbücher und betätigt sich als Filmregisseur und Essayist. Seine Bücher über das Theater – darunter „True and False“ („Richtig und Falsch“) – sind hervorragende Leitfäden für angehende Schauspieler. Seine Bühne ist eine brutale Welt, bevölkert von wütenden Immobilienmaklern, allmählich entmannten Hochschuldozenten und aggressiv-unsicheren Männern, die versuchen, ihre Männlichkeit zu behaupten. Seine alltagstaugliche Prosa und seine schonungslose Ehrlichkeit machen ihn zu einem faszinierenden Kommentator der amerikanischen Kultur im 20. Jahrhundert und der Verlagerungen innerhalb der sexuellen, politischen und gesellschaftlichen Macht.

Beachtenswerte Stücke:

Edmond (1982), Glengarry Glen Ross (1983), Oleanna (1992)

Samuel Beckett

Samuel Beckett ist einer der berühmtesten Stückeschreiber der englischen Sprache und braucht keine Vorstellung. Wahrscheinlich sollte er nicht einmal auf dieser Liste stehen, da seine Werke nach wie vor zum Kanon und Repertoire von Theatern weltweit gehören. Sein berühmtestes Stück, „Warten auf Godot“, wurde trotz verheerender Kritiken bei seiner Premiere 1953 mittlerweile zum „bedeutendsten englischsprachigen Stück des 20. Jahrhunderts“ ernannt.

Die absurde und doch universelle Geschichte der zwei hoffnungslosen Charaktere Wladimir und Estragon, die auf einen Mann namens Godot warten (Spoiler! Er taucht nicht auf), wird seit eh und je als Vehikel des künstlerischen Ausdrucks verwendet – vom modernen Palästina (The Freedom Theatre, Jenin) bis hin zu amerikanischen Strafgefangenen (Aufführungen in US-Gefängnissen lösten beinahe Revolten aus).

Beckett hat eine unglaubliche Anzahl von Stücken verfasst – darunter Monologe, Hörspiele, Vier-Personen-Stücke und Vignetten. Er kombiniert Clownerie mit tiefem psychologischem Zweifel und einem unglaublichen Ohr für Sprache.

Beachtenswerte Stücke:

Endgame – Endspiel (1957), Not I – Nicht ich (1972), Happy Days – Glückliche Tage (1963)

Tennessee Williams

Die Stücke von Tennessee Williams sind derzeit en vogue: Die britische Theaterszene hat diesen einzigartigen Autor in den letzten Jahren mit Neuproduktionen von The Glass Menagerie (Die Glasmenagerie), A Streetcar Named Desire (Endstation Sehnsucht) und The Rose Tattoo (Die tätowierte Rose) gefeiert.

Thomas Lanier Williams III. wurde 1911 in Columbus, Mississippi, geboren und starb 1983 in New York. Viele seiner großartigsten Werke spiegeln seine eigene Herkunft und Erfahrung als Heranwachsender im tiefen Süden der USA wider und erfinden sie für die Bühne neu. Zu Williams’ Zeit war diese Region zwischen den Kriegen in höchster Aufruhr. In seinen Texten beschäftigte er sich vor allem mit ehemaligen weißen Plantagenbesitzern oder reichen Familien und ihrem langsamen Verfall.

Beachtenswerte Stücke:

A Streetcar Named Desire – Endstation Sehnsucht (1947), The Glass Menagerie – Die Glasmenagerie (1944) und Cat on a Hot Tin Roof – Die Katze auf dem heißen Blechdach (1955)